Oikocredit-Blog: Auf Augenhöhe

Liebe Förderkreis-Mitglieder,

es ist mir eine Freude, mich als neue Geschäftsführerin und Verantwortliche für die Bildungsarbeit im Norden unseres Förderkreises vorzustellen. Seit Anfang Juli bin ich in unserer sonnenverwöhnten Berliner Geschäftsstelle im Pankower Kissingenkiez tätig, wo ich von unserem kleinen Team und dem Vorstand nach einer gelungenen Staffelübergabe durch meinen Vorgänger Karl Hildebrandt herzlich empfangen wurde.

Nach über 20 Jahren hauptamtlicher Tätigkeit im internationalen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in Hamburg, Bonn, Hanoi und Berlin ist mein Einstieg bei
Oikocredit mit großer Neugier verbunden: Wie werden sich die lokalen Förderkreise, die internationale Genossenschaft, die weltweiten Mitglieder sowie die Partner im Globalen Süden sich den rasch verändernden Rahmenbedingungen stellen, ohne den Pfad der solidarischen Ökonomie aus dem Fokus zu verlieren?

Ich durfte in den vergangenen Jahren viele Organisationen im Globalen Süden kennenlernen, die sich erfolgreich für nachhaltige Veränderungen eingesetzt haben – z. B. mehr Schutz und Rechte für Frauen in Albanien, Zugang zu Bildung und Gesundheit für Staatenlose in Kirgistan oder bessere Handelsbedingungen für Kleinbauernverbände in Ägypten. Dennoch gelingt es den wenigsten lokalen Organisationen, ihre Arbeit auch nachhaltig abzusichern. Mit Projektförderungen der Entwicklungszusammenarbeit lassen sich kaum institutionelle Reserven aufbauen. Die aber sind nötig für mehr Resilienz gegenüber der Klimakrise, steigenden Preisen und nicht zuletzt einem global gewachsenen politischen Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen. In vielen Ländern scheitern selbst die ländlichen Entwicklungsinitiativen inzwischen an staatlichen Auflagen, die sie als Nichtregierungsorganisationen aufgezwungen bekommen. Wirtschaftliche Initiativen haben in diesem Umfeld bessere Chancen. Deshalb bin ich überzeugt, dass Organisationen wie Oikocredit mit der Unterstützung von Kleinunternehmer*innen, Genossenschaften und Start-ups z. B. für das Gemeinwohl, den Fairen Handel oder dem Klimaschutz als Akteure sozialen Wandels eine wachsende Bedeutung zukommt.

Mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gibt es seit 2011 deutlich mehr Kontrollmechanismen insbesondere gegenüber transnational agierenden Unternehmen mit Blick auf die Einhaltung von Menschenrechten und Klimazielen. Die Initiative für das seit diesem Jahr bestehende deutsche Lieferkettengesetz wurde durch eine breite zivilgesellschaftliche Plattform vorangetrieben. Das Lieferkettengesetz auf EU-Ebene wird hoffentlich noch dieses Jahr verabschiedet.

Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr - viele Unternehmensberatungen, Banken und Versicherungen werben mit ESG-Kriterien und hinterlassen damit manchmal das ungute Gefühl, dass gute Initiativen für einen neuen lukrativen Markt gekapert werden können. Auch in den Ländern des Globalen Südens verändern sich die Märkte und es gibt deutlich mehr Anbieter von Mikrokrediten, die rein auf Gewinnmaximierung setzen. Oikocredit kann und muss sich hier behaupten und die Beiträge für solidarisches Handeln, fair financing und social impact investing als ethisch geleitete Organisation und als internationale Genossenschaft weiterentwickeln. Das gilt für die internationale Arbeit, aber selbstverständlich auch für die Förderkreise: Wie erreichen wir die nächste Generation mit unserer Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit? Wie machen wir Lust, sich für Oikocredit in dem breiten Markt der Möglichkeiten ehrenamtlich zu engagieren? Was will der Förderkreis als Mitglied der internationalen Genossenschaft an Ideen einbringen? Was ist unsere Vision für Oikocredit 2030? Dafür und für viele weitere Anliegen möchte ich den Raum für Ihre Ideen offenhalten. Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen.

Ihre

Ilonka Boltze

Fotorechte: Lichthelden Pankow